Wonderland Trail – Mt. Rainier Nationalpark – Washington von Janice Chaddock 2018
Einmal auf dem Wonderland Trail den Mount Rainier umrunden. Ein Traum meiner Freundin Allie. Ich hatte die wanderbegeisterte Amerikanerin vor ein paar Jahren in Rumänien während eines Auslandssemesters kennengelernt. Nach einigen gemeinsamen Wandertouren in den Karpaten stand fest, dass ich sie für einen Wandertrip in den USA besuchen werde. Drei Jahre später sahen wir uns am Flughafen in Seattle wieder. Unser Plan: In den Süden zum Mt. Rainier Nationalpark. Auf gut Glück wollten wir versuchen, Walk-Up-Permits für den Wonderland Trail zu bekommen. Bereits im Vorfeld hatten wir die nötigen Permits für die Zeltplätze beantragt, doch die waren alle sehr schnell vergeben und wir gingen leer aus. Der Nationalpark reguliert damit die hohen Besucherzahlen. Ich stellte mich gedanklich schon darauf ein, keine Walk-Up-Permits mehr zu ergattern, um der bevorstehenden Enttäuschung entgegenzuwirken. Doch vor Ort war alles ganz unkompliziert. Morgens waren wir die ersten an der Ranger Station und man sagte uns, dass alles kein Problem sei und wir noch am selben Tag loslaufen könnten. Die Freude war riesig! Schnell packten wir noch den letzten Krempel und unsere restlichen verderblichen Lebensmittel (10 Äpfel, 5 Nektarinen, 2 Birnen, 4 Bananen, eben nur leichtes Zeug!) in unsere Rucksäcke und auf ging es! Wir planten mit 9 Tagen, um entspannt laufen und genießen zu können. Einen Teil unserer Verpflegung brachten uns die Ranger zu einer Versorgungsstation die wir am 6. Tag anliefen. Was für ein Luxus!
Rückwirkend gesehen sind 9 Tage ein großzügiger Zeitrahmen. Im Juli sind die Tage lang und somit hatten wir immer genügend Zeit für Pausen und Fotos. Sogar für Softeis und Soda mit Nickerchen an einem kurzen Tag an dem wir unser Versorgungspaket abholten. In Zeitnot gerieten wir jedoch an unserem streckentechnisch längsten Tag, als sich der Weg auf einem Bergkamm plötzlich aufteilte. Der Weg der richtungsmäßig logisch schien, führte über ein matschiges und stark abfallendes Schneefeld. Wir probierten es und mussten sehr aufpassen und unsere Stöcke einsetzen. Allie war das nicht geheuer, das konnte doch nicht der richtige Weg sein! Sie war schon oft als Tourguide in Nationalparks quer durch die Staaten unterwegs, doch so ein alpines Flair war auch für sie neu. Also nahmen wir den anderen Weg, der nach einer halben Stunde gehen vor einer Klippe endete. LOST??? Wir drehten wieder um. Wo war eigentlich dieser verrückte Trailrunner, der uns vorher überholt hatte? Wieso sind da eigentlich keine Wegweiser? Was sagt denn die Karte? Was sagt die Uhr? Allie versuchte die Rangerstation telefonisch zu erreichen. Sie ist ein Sicherheitsmensch, ich hingegen entscheide eher intuitiv. Diese Kombination ist auf Tour eigentlich nicht schlecht. Sie erreichte niemanden. Es war auch schon 19 Uhr. Eigentlich war klar, dass wir durch diesen bescheuerten Matschschneeweg müssen. Doch wäre es der falsche Weg gewesen, ich hätte es bereut vorher nicht jede andere Möglichkeit ausschließen zu können. Am Ende schaute ich mir den Weg durchs Schneefeld noch einmal genauer an. Ja, das musste er leider sein. Wir hatten keine Wahl. Vorsichtig setzten wir einen Fuß vor den anderen, rammten einen kurz eingestellten Wanderstecken als Stütze in den Schnee und bahnten uns behutsam den Weg bergab durch das Schneefeld. Nach einer Stunde waren wir am Zeltplatz. Wir haben nicht nur das Schneefeld überstanden, sondern sind auch über unsere Grenzen hinaus gewandert. Der Wonderland Trail überraschte uns nicht nur an diesem Abend auf vielen Ebenen immer wieder aufs Neue. „A true wonderland!“. Uns begegneten Bergziegen, Murmeltiere, Braunbären und Ultra-Runner die den Trail durchrennen. Ich erlebte einen Tag lang eine Mückenbelästigung wie noch nie zuvor auf meinen Touren. Wir mussten Flüsse durchqueren wo Brücken (= abgeflachte Baumstämme) zum Teil überspült oder gar weggespült waren.
Nach ein paar Tagen laufen setzt der altbekannte Wander-Flow ein und man könnte für immer weiter gehen. Doch nach 9 Tagen, 150 gelaufenen Kilometern und über 7000 gesammelten Höhenmetern waren wir wieder an unserem Startpunkt angekommen. Wir wuschen uns fix auf der Parkplatztoilette, wo uns ein Bus gut riechender und schick gekleideter Tages-Touristen begegnete und uns verwundert anschaute („Warum riechen die so?“).
Der Wonderland Trail war wirklich ein gar wundervoller Weg. Noch nie zuvor war ich zur schönsten Vegetationszeit unterwegs in der alles blühte! Immer wieder trafen wir auf wuschelige Murmeltiere die sich im Schnee abkühlten oder auf Steinen aufwärmten, oft pfiffen sie für uns. Oder auf uns. Im dritten Monat schwanger war ich auf dieser Trekking-Tour auch emotional auf Hochtouren, was die Wanderung zu etwas Besonderem für mich macht. Denn ich werde die nächsten Touren wohl mit Kind im Gepäck machen, was ein ganz neues Abenteuer wird.
Der Weg ist dank freiwilliger Helfer so gut erhalten, dass man sich eigentlich nicht verlaufen kann. Allerdings war es oft verwunderlich, dass bei so guten Wegen dann plötzlich Brücken fehlten oder halb überspült und glitschig und dazu manchmal sehr schmal und ohne Geländer waren. Das war uns im Vornherein nicht klar und wurde uns weder von den Rangern noch von entgegenkommenden Wanderern gesagt. Die Stellen waren nicht unüberwindbar, aber eben nicht ungefährlich. An zwei Stellen war der Weg durch Überflutung im Winter umgeleitet worden und mit Markierungen gekennzeichnet. Anscheinend waren wir relativ bald in der kurzen Saison am Mt. Rainier unterwegs und die Trailworker waren noch nicht dazu gekommen, den kompletten Weg auf Vordermann zu bringen. Es war Mitte Juli gewesen, wir hatten 9 Tage puren Sonnenschein, aber eben auch noch Schneefelder an der höchsten Stelle. Anfang/Mitte August ist daher vielleicht die geeignetere Begehungszeit.
Ich empfehle diese tolle Tour jedem der konditionell fit ist und eine gute Selbsteinschätzung besitzt. Auch wenn die Tour kaum Navigationstalent oder Kartenlese-Skills erfordert, ist ein solider Orientierungssinn von Vorteil. Man sollte sich auch wohl im alpinen Gelände fühlen, äußerst trittsicher sein und dazu imstande, Gefahrensituationen richtig einschätzen zu können. Wir haben eine Frau auf dem Trail kennengelernt die auf ihrer ersten Trekking Tour unterwegs war. Sie hatte sich mit 14 Tagen viel Zeit dafür genommen. Allerdings war ihr Rucksack durch die Verpflegung sehr schwer, da man sich die Care Pakete nur an wenige Standorte bringen lassen kann. Sie war auch meist schon am frühen Nachmittag an den gebuchten Zeltplätzen. 14 Tage sind also definitiv zu lange für den Trail, auch wenn man sich gerade als Anfänger die Tage kurz halten möchte. Auch ein zu schwerer Rucksack kann ganz schnell für Frustration sorgen. Ganz fitte Wanderwadeln schaffen den Trail in 7 Tagen, möchte man sich Zeit nehmen dann sind 11 Tage absolut ausreichend. Die Spitze der Ultrarunner schafft den Trail in 19 Stunden.